Sport

Jarmila Kratochvilova, Carl Lewis, Gian-Franco Zappa und Co.
Einzelheiten zur Fussball-Weltmeisterschaft 1986 in Mexiko.

Sportlich gesehen begannen die 80er sowohl positiv als auch negativ. Gut war, dass Schmuddel-Frisuren wie diejenigen von Günther Netzer oder Paul Breitner aus den Stadien und von den Fernsehbildschirmen verschwanden, schlecht war, dass diese ästhetisch kaum verkraftbaren Anblicke nahtlos ersetzt wurden. Man denke hier nur an die tschechoslowakische Wunderläuferin Jarmila Kratochvilova. Diese Mannsfrau, diese sibirische Tundrabärin, beherrschte ein Jahrzehnt lang die 400- und 800-Meter Läufe, setzte sportlich und modisch Marken. Sie war eine Frau, die zu ihrem Flaumschnäuzchen und ihren behaarten Beinen stand. Die tiefe Bassstimme machte sie noch zusätzlich sympathisch. Aber zu dieser Zeit war Doping nur hinter vorgehaltener Hand ein Thema. Sie wird noch heute von allen Mittelstreckenläuferinnen gehasst, denn ihre Weltrekorde werden wohl noch in 50 Jahren bestehen.

Mit den Olympischen Spielen von Los Angeles 1984 wurde alles anders. Die bösen Sowjetrussen boykottierten die Spiele, die Weltöffentlichkeit schaute auf Carl Lewis´ Zahnspange und seine weiten Sätze. Erstmals in der Olympischen Geschichte wurden die Spiele total vermarktet und die Amis zelebrierten ihre Überlegenheit. In guter Erinnerung blieb auch der "Rocket-Man" bei der Eröffnungs- oder Schlussfeier. Mit dieser raketenbetriebenen Friedenstaube demonstrierten die Amerikaner den Russen ihre Überlegenheit in der Raumfahrttechnologie.

Auf die Rakete folgte Ben Johnson. Sein 100-Meter-Lauf 1988 in Seoul bleibt unvergesslich. Allerdings musste er als Erster wirklich Wellen schlagender Dopingfall in der Geschichte der Leichtathletik seine Goldmedaille zurückgeben. Damals ein riesiger Skandal, heute nur noch ein müdes Lächeln wert. Aus dem Wintersport sind namhafte "Schweizer-Illustrierte-Titelbilder" hängen geblieben. Man denke nur an den Liebling aller Schwiegermütter, Pirmin Zurbriggen, an den verbissenen Peter Müller oder an das Toggenburger-Schätzli Maria Walliser. So richtig lustig waren Skirennen in dieser Zeit auch noch, weil Exoten wirklich noch Exoten waren. Griechische Langläufer oder mexikanische Skifahrer, das liess das Selbstwertgefühl der im Sommer nicht gerade verwöhnten Skination in die Höhe schnellen. Auch waren wir in dieser Zeit den Oesterreichern im Skifahren überlegen. Das grösste Vergnügen war das Umschalten auf den ORF nach einer neuen besten Zwischenzeit eines Schweizers. But time`s changing und sogar Peter Müller hat aufgehört.

Die Fussballweltmeister in den 80ern waren Italien und Deutschland. Aber wichtiger war der Schienbeinschoner. Mit dem Schienbeinschoner ging die ganze Fussballkultur vor die Hunde. Auch die Hosen wurden geräumiger, die Trikots farbiger. Was blieb, war die Fussballmauer, Gian-Franco Zappa und Karl Grob (wenigstens aus helvetischer Sicht). Letztere zwei spielten für den FC Zürich und wurden von zwei Sorten Fussballern gehasst. Zappa von allen Spielern, die das Vergnügen hatten, gegen den FCZ zu spielen und gerade in derjenigen Fussballmauer zu stehen, die einen Freistoss von Zappa erwarteten. Karl Grob vom Rest, natürlich mit Ausnahme seiner Mitspieler. Zappa war der Eder der Schweiz, seine Freistösse waren legendär. Die gegnerischen Spieler formierten sich zur Mauer, ihr primäres Geschlechtsorgan schützend. Ihr Glück war, dass Gian-Franco Zappa nicht wirklich ein Fussballer war und die Mauer, geschweige denn das Tor, selten traf. Er war eher ein Mani Joller der 80er, ein Holzfäller mit Stollenschuhen.

Schlimmer noch war Karl Grob, bis zu seinem 40. Lebensjahr Torhüter des FCZ. Wenn Zürich führte, konnte er den Ball einige Minuten liebevoll hätscheln, mit seinem Libero hin und her schieben oder eine lebensgefährliche Verletzung vortäuschen. Die modernen Torhüterregeln gab es damals zum Glück von Karl Grob noch nicht. In diese Zeit fällt meines Erachtens auch das schönste Tor der Fussballgeschichte. Im Viertelfinale der WM 1986 in Mexiko umdribbelt Diego Maradona fast die gesamte englische Mannschaft mitsamt des Torhüters. Im gleichen Spiel bringt er es fertig, die Engländer mit dem berühmten Handtor aus dem Turnier zu werfen. Die Argentinier revanchierten sich damit für den Falklandkrieg, schlugen zum Glück auch die Deutschen und wurden Weltmeister.

Die Deutschen übrigens wurden für das wohl schlechteste Fussballspiel der Geschichte bestraft. An der WM 1982 spielten sie in der Vorrunde gegen Oesterreich. Da beiden Mannschaften ein Unentschieden für ein Weiterkommen reichte, einigte man sich auf einen Nichtangriffspakt. Seelenruhig wurde der Ball 90 Minuten im Mittelfeld hin und her geschoben. Die spanische Zeitung "El Pais" kommentierte das mit der zynischen Bemerkung:" Es fehlte nur, dass sie sich noch küssten...". Irgendwann in dieser Zeit gab es auch noch ein Spiel zwischen Kamerun und Oesterreich. Auf der einen Seite Exoten, fremde Kultur, wilde Riten und auf der anderen Seite Kamerun. Aber das ist fussballgeschichtlich nicht so relevant.

Christian Fähndrich